Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Bauprojekt Staatsbibliothek zu Berlin – Haus Unter den Linden

Grundinstandsetzung und Erweiterung

Die Fotografie zeigt die Fassade des Hauses Unter den Linden der Staatsbibliothek zu Berlin. Staatsbibliothek zu Berlin Die Straßenfassaden des Hauses Unter den Linden der Staatsbibliothek zu Berlin wurden denkmalgerecht instandgesetzt und gereinigt.

Projektdaten

  • Nutzer Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz
  • Adresse Unter den Linden 8, 10117 Berlin, Deutschland
  • Bauherr Stiftung Preußischer Kulturbesitz
  • Architektur Prof. HG Merz und BAL Bauplanungs und Steuerungs GmbH
  • Wettbewerb anonymer Realisierungswettbewerb nach GATS-weitem Bewerbungsverfahren
  • Projektleitung Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Referat IV 3
  • Gesamtkosten rund 482 Millionen Euro (rund 4.500 Euro pro Quadratmeter Brutto-Grundfläche)
  • Baubeginn 2005
  • Fertigstellung 2019 (Gesamtfertigstellung und Übergabe)
  • Eröffnung 2021
  • Brutto-Grundfläche rund 107.100 Quadratmeter
  • Nutzungsfläche rund 51.600 Quadratmeter

Projektbeschreibung

Das Gebäude der Staatsbibliothek Unter den Linden ist das Stammhaus der größten wissenschaftlichen Universalbibliothek im deutschsprachigen Raum und gehört zu den bedeutendsten Bibliotheksbauten weltweit. Bis 2019 wurde es vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) – Referat IV 3 – von Grund auf instandgesetzt. Die Bibliothek ist mit ihrer Länge von 170 und einer Breite von 107 Metern und einer Brutto-Grundfläche von mehr als 100.000 Quadratmetern zudem eines der größten Gebäude Berlins.

Der Komplex wurde 1903 bis 1914 nach den Plänen des kaiserlichen Hofbaumeisters Ernst von Ihne errichtet. Ähnlich wie im Bode-Museum, das ebenfalls von Ernst von Ihne gebaut wurde, ist das Gebäude als Inszenierung von sich fortlaufend in ihrer repräsentativen Wirkung steigernden Räumen konzipiert. Den Höhepunkt findet diese Anordnung im Allgemeinen Lesesaal, damals einer der größten Kuppelbauten Berlins. Hinter der monumentalen neobarocken Fassade verbirgt sich ein technisch hochwertiger Bau. Dessen Magazingeschosse sind beispielsweise komplett als Stahlbau mit eingehängten Zement-Blechplatten als Geschossdecken (Lipman-Regalsystem) ausgeführt, der neben der Last der Bücher auch Fassade und Dach trägt.

Luftaufnahme der Staatsbibliothek Unter den Linden aus dem Jahr 1930

Bild / Video 1 von 5

Die Fotografie zeigt eine Luftaufnahme von Berlin über der Staatsbibliothek Unter den Linden aus dem Jahr 1930. Luftaufnahme der Staatsbibliothek Unter den Linden aus dem Jahr 1930 1930 war die Kuppel über dem Allgemeinen Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden noch intakt.

Die Staatsbibliothek wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, insbesondere der zentrale Lesesaal mit seiner imposanten Kuppel fiel der Zerstörung zum Opfer. Die Kriegsschäden waren vor 1999 nur unzureichend und oft zusammenhanglos beseitigt worden. Darüber hinaus waren die Funktionsabläufe in der Bibliothek durch den Verlust seines architektonischen Zentrums, des Kuppellesesaals, stark eingeschränkt. Die dringend erforderliche Grundinstandsetzung des Gebäudes wurde daher um ein Ergänzungsbauwerk für einen Allgemeinen Lesesaal und weitere Nutzungen vervollständigt. Der dafür ausgelobte Architektenwettbewerb wurde 2000 zugunsten des Büros HG Merz entschieden, dessen Konzept sich nicht zuletzt wegen seiner weitgehenden Orientierung an den Charakteristika des Bestandsgebäudes durchsetzen konnte.

Die gesamte Maßnahme wurde in zwei Bauabschnitte unterteilt, da der Bibliotheksbetrieb über die gesamte Bauzeit aufrechterhalten werden sollte. Beide Bauabschnitte, jeder mit einem Maßnahmenvolumen von deutlich mehr als 200 Millionen Euro, erforderten jeweils etwa sieben Jahre Bauzeit. Das ist für eine komplexe Sanierungsmaßnahme dieser außergewöhnlichen Größenordnung eine durchaus gute Bilanz, zumal die Baustellenverhältnisse zum Teil äußerst beengt waren und die Menge der zeitgleich realisierbaren Maßnahmen damit begrenzt war.

Rundgang durch die Staatsbibliothek Unter den Linden

Nach Abschluss eines der größten Kulturbauprojekte in der Geschichte der Bundesrepublik wurde das von Grund auf sanierte und erweiterte Stammhaus der Staatsbibliothek im November 2019 feierlich an die Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf übergeben. Im Video nehmen die BBR-Projektleiter der umfangreichen Baumaßnahme, Jens Andreae und Jörg Brandt, Sie mit hinter die Kulissen einer der bedeutendsten Bibliotheken der Welt.

Projektverlauf

Konzeption und Planung

Im Architekturwettbewerb zur Grundinstandsetzung und Erweiterung der Staatsbibliothek Unter den Linden wurde im Jahr 2000 der Entwurf von Professor HG Merz mit dem ersten Preis ausgezeichnet und somit zur konzeptionellen Grundlage der Grundinstandsetzung. Der Entwurf orientiert sich weitgehend an der ursprünglichen Konzeption Ernst von Ihnes und vervollständigt insbesondere die zentrale Erschließungsachse durch den Neubau des Allgemeinen Lesesaals, der analog dem früheren Kuppellesesaal als funktionales Zentrum des Hauses und architektonischer Höhepunkt einer Abfolge historischer Repräsentationsräume fungiert. Die weitgehend erhaltenen Monumentalräume erhalten nach dem Entwurf ihre früheren Geometrien zurück, die dafür notwendigen Ergänzungen werden allerding als solche erkennbar in zeitgenössischer Formensprache ausgeführt.

Dieses Konzept ermöglicht eine dauerhafte Nutzung des Gebäudebestandes in weitgehender Übereinstimmung mit den Charakteristika des Hauses und entspricht deshalb in hohem Maße den Zielen des Denkmalschutzes. Neben der Erschließungsachse bleiben als weitere Wesensmerkmale des Gebäudes das homogene äußere Erscheinungsbild und die einheitlichen Gestaltungsprinzipien für öffentliche Räume erhalten.

Staatsbibliothek zu Berlin

Bild / Video 1 von 3

Die Zeichnung zeigt einen Längsschnitt durch die Staatsbibliothek zu Berlin, Haus unter den Linden im Jahr 1914. Staatsbibliothek zu Berlin Längsschnitt der zentralen Erschließungsachse der Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Unter den Linden im Jahr 1914.

1. Bauabschnitt

Die gesamte Baumaßnahme wurde bei laufendem Bibliotheksbetrieb und deshalb unterteilt in zwei Bauabschnitte durchgeführt. Der 1. Abschnitt umfasste die Grundinstandsetzung des nördlichen Gebäudeteils sowie den Erweiterungsbau für den neuen Allgemeinen Lesesaal, den Rara-Lesesaal (Rara sind seltene Drucke und Schriften), Werkstätten und Sondermagazine. Während der gesamten Bauzeit blieb der südliche Gebäudeteil in Nutzung.

Nach einer umfangreichen Planungsphase erfolgte am 9. Mai 2005 der erste Spatenstich für den Neubau des zentralen Lesesaals. 2006 wurde der Grundstein gelegt, 2008 das Richtfest gefeiert. Im März 2011 konnten der sanierte Altbau dieses Bauabschnitts und die neu errichteten Tresormagazine an die Staatsbibliothek übergeben werden. Die feierliche Schlüsselübergabe für den Neubau mit den neuen Lesesälen fand im Dezember 2012 statt.

Staatsbibliothek zu Berlin

Bild / Video 1 von 2

Die Fotografie zeigt den Rara-Lesesaal in der Staatsbibliothek zu Berlin. Staatsbibliothek zu Berlin Im Rara-Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden treffen Bestand und Erweiterungsbau aufeinander.

2. Bauabschnitt

Der 2. Bauabschnitt umfasste die Sanierung der gesamten südlichen Hälfte des Gebäudekomplexes und damit etwa zwei Drittel seines Altbaubestandes. Nachdem der Bibliotheksbetrieb in die fertiggestellten Gebäudeteile des ersten Bauabschnittes verlagert worden war, konnten im Frühjahr 2013 die Arbeiten des zweiten Bauabschnittes großflächig beginnen. Im Gebäudeteil der Akademie der Wissenschaften waren die Arbeiten bereits früher begonnen worden. Hauptbestandteile dieses Bauabschnittes waren die Monumentalräume der zentralen Erschließungsachse, fünf Sonderlesesäle, die Räume der Generaldirektion und des Verwaltungsbereiches sowie weitere Magazinbereiche.

Insgesamt wurden im zweiten Bauabschnitt auf rund 20.000 Quadratmetern Nutzungsfläche Böden, Wände und Decken erneuert, 15.000 Quadratmeter Fassaden instandgesetzt, 6.000 Quadratmeter Dachfläche neu aufgebaut und eine komplett neue Haustechnik, insbesondere Klima-, Lüftungs- und Brandschutztechnik, in den Bestand integriert.

Ein besonderer Höhepunkt des 2. Bauabschnitts war die Wiedererrichtung der Kuppel über dem Haupteingang, ein auch im städtebaulichen Kontext des Ensembles Unter den Linden bedeutender Schritt. Am 10. Juli 2013 wurde hier Richtfest gefeiert. Bereits im September 2014 konnten die Räume der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Gebäudeteil an der Ecke Universitätsstraße / Unter den Linden übergeben werden. Die Akademie der Wissenschaften nutzt diese Räume seit der Erbauungszeit als Mieter. Im Januar 2017 wurde ein zweiter, deutlich umfangreicherer Teil dieses Bauabschnitts fertiggestellt und übergeben, unter anderem die Veranstaltungssäle und die Räume der Generaldirektion.

Zentraler Bestandteil der weiteren Grundinstandsetzung war die Wiederbelebung der für das Gebäude charakteristischen Erschließungsachse:

  • Die offene Eingangshalle Unter den Linden
  • Der Brunnenhof mit seinem berühmten Weinbewuchs, der trotz aufwändiger Fassadensanierung größtenteils erhalten werden konnte. Dieser Hof ist ein eingetragenes Gartendenkmal und wurde weitgehend originalgetreu wiederhergestellt.
  • Die zentrale Treppenhalle, die ihre ursprüngliche Kubatur zurück erhielt: Eine Flachdecke und zwei Magazingeschosse, in den 50er-Jahren über der Haupttreppe eingebaut, wurden zurückgebaut. Hier wurde ein in seinen Ausmaßen dem historischen Original entsprechendes Tonnengewölbe mit neu gestalteter Oberflächenstruktur eingebaut. Die nach Austausch der historischen Fachwerkträger darüber (siehe Abschnitt Bauen im Bestand) nun auf neuen Trägern aufliegenden vier kaiserzeitlichen Magazingeschosse sind wie alle anderen Magazinbereiche denkmalgerecht saniert, bedarfsgerecht klimatisiert und brandschutztechnisch weitgehend heutigen Anforderungen angepasst worden.
  • Das Foyer oberhalb der Haupttreppe, einst Entrée des gewaltigen Kuppellesesaals und Zugang zu den Sonderlesesälen der Fachabteilungen, das eine weitgehend am Original orientierte Gestaltung erhalten hat. Die ursprünglich geplante Wiederherstellung der Kuppelgeometrie war aufgrund von Verformungen der Bausubstanz jedoch nicht möglich (siehe Abschnitt Bauen im Bestand). Die Gurtbögen und der Majolikaring im Scheitel der früheren Kuppel konnten allerdings instandgesetzt werden. Vom Foyer aus betritt der Leser nun den Neubauteil mit dem Allgemeinen Lesesaal, der, wie einst sein Vorgänger, architektonischer Höhepunkt am Ende der zentralen Erschließungsachse ist.

Die Fotografie zeigt de Baustelle in der Zentralen Treppenhalle der Staatsbibliothek zu Berlin. Staatsbibliothek zu Berlin Die Zentrale Treppenhalle der Staatsbibliothek Unter den Linden im Februar 2018.

Neben der zentralen Erschließungsachse und den repräsentativen Treppenhäusern sind es vor allem die Sonderlesesäle von fünf Fachabteilungen, die nach Instandsetzung und Modernisierung wieder das Gebäude prägen. Als nachlaufende Baumaßnahme entstand im Erdgeschoss, im Bereich eines für die Bauzeit als Provisorium eingerichteten Foyers, das Bibliotheksmuseum Stabi Kulturwerk. Darin stellt die Staatsbibliothek erstmals dauerhaft einen kleinen Teil ihrer Bestände öffentlich aus.

Besonderheiten und Unvorhergesehenes

Bauen im Bestand ist grundsätzlich geprägt vom Risiko des Unvorhersehbaren, des überraschenden Befundes. Keine noch so sorgfältige Voruntersuchung kann mit letzter Sicherheit den genauen, tatsächlich erforderlichen Umfang der Baumaßnahmen vorhersehen. Auch bei der Grundinstandsetzung der Staatsbibliothek hat es seit Baubeginn immer wieder solche Überraschungen gegeben, die einige vorher nicht absehbare Maßnahmen erforderlich machten. Die folgenden Beispiele zusätzlicher Maßnahmen stehen exemplarisch für viele Unwägbarkeiten, Anlässe für Planungsänderungen und überraschende Befunde, die zu bewältigen waren, und die die Schwierigkeiten, Herausforderungen, aber auch den Reiz eines komplexen Sanierungsprojektes ausmachen.

Versteckte Schäden am Tragwerk

Es gehört zu den Besonderheiten des Hauses Unter den Linden, dass es bereits während seiner Erbauungszeit zwischen 1903 und 1914 wieder umgebaut und erweitert wurde, beispielsweise über dem Tonnengewölbe der zentralen Treppenhalle. Dort sind vier Geschosse mit zusätzlichen Magazinen errichtet worden, deren gewaltige Lasten von großen Stahlfachwerkträgern hoch über der Haupttreppe abgefangen wurden. Diese Träger konnten erst Ende 2013 nach Entkernung und Reinigung umfänglich begutachtet werden. Dabei sind Schäden festgestellt worden, die auf unzureichende Standsicherheit schließen ließen. Mit weitreichenden Folgen: Die gesamte Konstruktion musste komplett ausgetauscht werden. Da die denkmalgeschützten Magazingeschosse an Ort und Stelle zu erhalten waren, mussten die Einzelteile des neuen Tragwerks aufwändig durch Öffnungen in der Außenwand eingefädelt und unterhalb der Magazingeschosse zu neuen Fachwerkträgern verschraubt werden. Die provisorisch durch Hilfskonstruktionen gehaltenen Magazingeschosse wurden danach schrittweise auf die neuen Träger montiert. Die nötige Umplanung der Sanierung in diesem Bereich und die vielen kleinteiligen, aufeinanderfolgenden Arbeitsschritte führten zu etwa 15 Monaten zusätzlicher Bauzeit und entsprechender Verschiebung der nachfolgenden Arbeiten. Diese erhebliche Bauzeitverlängerung war eine der gravierendsten Störungen im Projekt. Sie führte trotz erfolgreicher Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen (insbesondere die Unterteilung des zweiten Bauabschnittes und separate Fertigstellung der nicht direkt betroffenen Bereiche) zu erheblichen zusätzlichen Kosten.

Staatsbibliothek zu Berlin

Bild / Video 1 von 3

Die Fotografie zeigt einen gerissenen Fachwerkträger. Staatsbibliothek zu Berlin Ein gerissener Fachwerkträger am historischen Tragwerk der Staatsbibliothek Unter den Linden.

Setzungen und Verformungen

Von der einst etwa 20 Meter hohen Kuppel im Vestibül sind aus der Entstehungszeit nur die zwei sich kreuzenden Stahlbetonbögen übrig geblieben, die die ursprüngliche Kuppelschale einmal getragen haben. Dem architektonischen Konzept folgend war die Wiederherstellung der Kuppel in ihrer ursprünglichen Geometrie direkt unter diesen, heute denkmalgeschützten Stahlbetonbögen geplant. Dass die Bausubstanz dieser lange hinter einer Flachdecke aus der Nachkriegszeit verborgenen Bögen sich als dringend sanierungsbedürftig erwies, überraschte nicht. Allerdings ergab die genaue Vermessung im Vorfeld der Detailplanung der zu rekonstruierenden Kuppelschale, dass sich die scheinbar nie in ihrer Lage veränderte Betonkonstruktion etwas verformt und um wenige Zentimeter gesenkt hatte, möglicherweise eine Folge von Kriegszerstörung und Abriss des früher benachbarten Kuppellesesaales. Eine Kuppel in der ursprünglichen Geometrie war hier nicht mehr integrierbar und umfangreiche Neuplanungen wurden erforderlich. Mehraufwand und zusätzliche Kosten entstehen bei solchen Umplanungen vor allem infolge der zeitlichen Verzögerung, aus der den beteiligten Firmen zu vergütende Mehraufwendungen entstehen.

Neue Lasten auf altem Gemäuer

Die sich kreuzenden Betonbögen, die einst die Kuppelschale über dem Vestibül getragen haben, mussten als Teil der denkmalgeschützten Substanz erhalten werden, auch wenn sie infolge ihres Zustandes keine Lasten mehr tragen konnten; sie wurden deshalb von der neu zu errichtenden Dachkonstruktion abgehängt. Da unter anderem deshalb die Lasten aus diesem Dach für das Bestandsmauerwerk zu hoch sind, wurden zwei 22 Meter lange, später ausbetonierte Stahlrohrstützen (sogenannte Geilingerstützen) in das Bestandsmauerwerk eingebracht. Dazu mussten entsprechend lange, genau senkrecht verlaufende Bohrungen in zum Teil sehr heterogenem Bestandsmaterial hergestellt werden, eine bautechnische Besonderheit, die in dieser Größenordnung einmalig sein dürfte. Da die genaue Zusammensetzung des Bestandsmauerwerks nicht vorhersagbar war und unterschiedlich harte Materialien jederzeit den Bohrer aus dem Lot bringen konnten, war eine verlässliche Terminplanung hier faktisch nicht möglich. Durch großzügige Reserven in der Terminplanung konnten die Auswirkungen dieses Risikos für das Gesamtprojekt jedoch begrenzt werden.

Staatsbibliothek zu Berlin

Bild / Video 1 von 2

Die Fotografie zeigt Betonbögen über einem Vestibül. Staatsbibliothek zu Berlin Die Betonbögen über dem Vestibül der Staatsbibliothek Unter den Linden.

Unvermutete Hohlräume

Während der Sanierung der Innenseiten der Außenwände wurde festgestellt, dass diese Mauerwerkswände nicht durchgängig massiv ausgeführt waren, sondern aus einer tragenden Wand und einer innenseitig mit einem Abstand zu dieser tragenden Wand vorgesetzten zweiten Wand bestanden. Innenseitig sind solche Vorsatzschalen weder bauphysikalisch noch aus sonstigen denkbaren Gründen sinnvoll, und weder die planenden Architekten noch der Bauherr konnten mit dieser Besonderheit rechnen – möglicherweise eine nicht in die Pläne übernommene Materialsparmaßnahme der Erbauungszeit.

Da die Planer von durchgängig massiv gemauerten Wänden ausgehen mussten, war mit dieser Entdeckung jede statische Berechnung dieser Wände hinfällig und die Art des Einbindens der durch diese Wände getragenen Decken musste komplett neu geplant werden. Der Hohlraum wurde dort, wo es die Statik erforderte, mit Beton verfüllt; dort, wo dies nicht notwendig war, wurde eine Wärmedämmung eingebracht. Die Vormauerschale selbst musste aus Gründen des Brandschutzes oder der Standsicherheit teils gesichert, teils verstärkt und teils erneuert werden. Insgesamt führte der in diesem Zusammenhang zusätzlich erforderliche Aufwand zu Mehrkosten in Höhe von etwa 900.000 Euro. Diese Kosten konnten innerhalb des Budgets kompensiert werden.

Mangelhafte Nachkriegsreparaturen

Im ersten Bauabschnitt sind im Laufe der Sanierungsarbeiten an den Fassaden massive Beschädigungen der Fensterstürze festgestellt worden, die vorher nicht erkennbar waren. Eine umfassende Bestandserfassung wurde erforderlich und anschließend der Austausch eines großen Teils der Bestandsstürze. Später sind im Ehrenhof Gesimsteile vorgefunden worden, die infolge früherer Reparaturen von Kriegsschäden nicht, wie sonst im Gebäude üblich, aus Sandstein, sondern aus Stahlbetonteilen mit einbetonierten Stahlträgern bestanden. Solche Reparaturen von Kriegsschäden erfolgten meist in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Rahmen der damaligen begrenzten Möglichkeiten und sind oft gar nicht oder nicht vollständig dokumentiert. Sie waren deshalb zum Zeitpunkt der Planung nicht bekannt. Die hier vorgefundenen Stahlträger waren zum Teil korrodiert, zum Teil waren Schäden durch den Einbau neuzeitlicher Bauteile in die ursprüngliche Konstruktion entstanden, etwa durch das gegenüber der Ursprungskonstruktion größere Eigengewicht oder durch die unterschiedliche Wärmeausdehnung der verschiedenen Materialien. Der notwendige Austausch von Fensterstürzen in großer Zahl und das Ersetzen der schadhaften Gesimsteile aus Stahlbeton durch Bauteile, die der ursprünglichen Konstruktion entsprechen, verursachte einen erheblichen zusätzlichen Aufwand. Die zusätzlichen Kosten konnten aber auch hier innerhalb des Budgets gedeckt werden.

Versteckte Korrosion

Auf der Grundlage von Untersuchungen im Vorfeld der Sanierungsmaßnahmen waren im Jahre 2003 in den repräsentativen Treppenhäusern des Bestandsgebäudes lediglich neue Befestigungen des denkmalgeschützten Geländers geplant. Das Geländer selbst war augenscheinlich in gutem Zustand. Zu Beginn der Arbeiten zeigte sich jedoch, dass die intakt scheinenden Messingbaluster im Inneren ein verheerendes Bild boten.

Denkmalgerecht instandgesetztes Treppenhaus in der Staatsbibliothek zu Berlin Staatsbibliothek zu Berlin Geländer in einem der denkmalgerecht instandgesetzten Treppenhäuser

Die Stahlstäbe im Inneren waren infolge eines bauzeitlichen Ausführungsfehlers so stark korrodiert, dass die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet war. Der Schaden war von außen nicht sichtbar, da infolge von Kontaktkorrosion lediglich das weniger edle Metall im Inneren angegriffen war. Die infolgedessen nun notwendige Sanierung und der Nachbau etwa der Hälfte der über 1.000 Baluster verursachten zusätzliche Kosten und einen erheblichen Zeitaufwand.

Die Fotografie zeigt ein Geländerteil mit rostigem Kern. Staatsbibliothek zu Berlin Korrodierter Kern in einem Baluster des Treppengeländers vor der Sanierung.

Das Ergebnis der letztlich erfolgreichen Instandsetzung zeigt jedoch deutlich, dass sich der zusätzliche Aufwand ausgezahlt hat. Das auch für das Gesamtgebäude wichtige Erscheinungsbild der vier betroffenen repräsentativen Treppenhäuser ist denkmalgerecht wiederhergestellt und bleibt der Nachwelt erhalten.

Bauzeit und Termine

Terminpläne in derart komplexen Sanierungsvorhaben können nur die nach bestem Wissen geplanten Maßnahmen abbilden. Sie berücksichtigen Rahmenbedingungen wie die zur Verfügung stehenden Kapazitäten, Technologien und Arbeitsflächen und enthalten natürlich vorsichtshalber einige Pufferzeiträume. Dennoch können die wirklich gravierenden Störungen und überraschenden Befunde, die nicht vorhersagbar und deren Auswirkungen nicht prognostizierbar sind, nicht einfach eingeplant oder ausgeglichen werden. Terminpläne sind in solchen Projekten daher immer ideale Ablaufpläne, die bei Bedarf an die Realität angepasst werden müssen.

Auch bei der Grundinstandsetzung der Staatsbibliothek wurden Fertigstellungs- und Übergabetermine mehrfach verschoben, dieses jedoch immer mit rechtzeitiger Ankündigung, so dass der Betrieb der Staatsbibliothek stets gesichert war. Es hat im Verlauf des Projektes keine Bauunterbrechung gegeben, obgleich einige der zu bewältigenden Störungen gravierend waren.

Im Folgenden werden exemplarisch einige Ursachen für Verzögerungen und Terminplananpassungen aufgeführt.

1. Bauabschnitt

  • Auftragsvergabe für die Baugrube: erhöhter Aufklärungsbedarf der Angebote und Verhandlung einer Klage vor der Vergabekammer (14 Wochen Verzug)
  • Erstellung des Rohbaus des neuen Lesesaals: Die sehr komplizierte Konstruktion des neuen Lesesaals führte zu Korrekturbedarf bei den ausgeschriebenen Stahlmengen und Problemen bei der Einhaltung der geforderten, außergewöhnlich niedrigen Toleranzen der Stahlbetonfertigteile (38 Wochen Verzug).
  • Auftragsvergabe für die Stahl-Glas-Fassade des Lesesaals: Die Ausschreibung erfolgte nach den Vorgaben des Vergaberechts zunächst in einem europaweit offenen Verfahren. Nachdem dieses jedoch kein akzeptables Angebot brachte, war zusätzlich ein Verhandlungsverfahren erforderlich. Weitere Verzögerungen resultierten aus Problemen bei Erstellung und Prüfung der Montageplanung der einzigartigen Konstruktion der Fassade aus nachträglich verformtem Glas und aus Fertigungs- und Zulassungsproblemen (70 Wochen Verzug).
  • 16 Zustimmungen im Einzelfall: Die Planung des Architekten beinhaltete eine große Zahl von Sonderkonstruktionen, für die keine allgemeinen Zulassungen existierten, und für die deshalb bei der Bauaufsichtsbehörde Zustimmungen im Einzelfall erwirkt werden mussten. Der dafür nötige Zeitaufwand war im Durchschnitt jeweils zwei Monate länger als vom Architekten geplant. Das betraf vor allem die Stahl-Glas-Fassade, Feuerschutzvorhänge und Feuerschutztüren, Brandschutzputz und Brandschutzanstrich, das Integrieren von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen in Altbaufenster und das Gewebe der Wand- und Deckenoberflächen im großen Lesesaal.
  • Eine nicht kurzfristig ersetzbare große Firma hatte infolge eines parallel laufenden Auftrages auf der Baustelle des neuen Berliner Flughafens Probleme, die Baustelle der Staatsbibliothek mit ausreichend Personal zu besetzen. Von den dadurch verzögerten Leistungen war der Fertigstellungstermin direkt abhängig (12 Wochen Verzug).

Die Terminverzüge des ersten Bauabschnitts wirkten sich zwangsläufig auf die Terminplanung des zweiten Bauabschnitts aus, da hier erst nach dem Umzug in die fertiggestellten Gebäudeteile mit den Entkernungsarbeiten begonnen werden konnte. Zusätzliche Terminverzüge resultierten aus dem Wechsel zweier Planungsbüros und der jeweils erforderlichen Einarbeitungszeit sowie aus unvorhergesehenen zusätzlichen Sanierungsmaßnahmen (siehe Abschnitt Bauen im Bestand).

2. Bauabschnitt

  • Die wohl gravierendste Störung im Bauablauf ergab sich aus dem unerwartet notwendig gewordenen Austausch der Fachwerkträger über der Treppenhalle (siehe Abschnitt Bauen im Bestand). Die Verzögerung belief sich auf zirka 15 Monate.
  • In einigen ehemaligen Installationsschächten wurde abweichend von den Ergebnissen der im genutzten Bestand durchgeführten Schadstoffuntersuchung unerwartet Asbest vorgefunden. Die Asbestsanierung führte zu einem um zirka drei Monate verschobenen Beginn der Rohbauarbeiten in den betroffenen Bereichen.
  • Die erst nach Entkernung feststellbaren geringfügigen Verformungen der Betonbögen, die einst die Kuppel über dem Vestibül getragen haben, machten eine komplett neue Planung der Kuppel erforderlich.
  • Ein deutlich umfangreicherer Zeitaufwand war bei der Restaurierung des bauzeitlichen Majolikaringes als Bestandteil der Kuppel über dem Vestibül erforderlich, da die tragende Konstruktion dieses hinsichtlich seiner Oberflächen verhältnismäßig gut erhaltenen Ornaments deutlich schlechter erhalten war als zuvor erkennbar.
  • Die Erneuerung tragender Mittelwände infolge ihres gravierenden Schädigungsgrades gestaltete sich weit aufwändiger als zunächst absehbar. Einer sich hier abzeichnenden erheblichen Bauzeitverlängerung konnte durch diverse Beschleunigungsmaßnahmen entgegengewirkt werden. Vollständig ausgleichen ließ sich die Verzögerung jedoch nicht.

Die Komplexität und die Größe der Maßnahme erforderte eine sehr umfangreiche Planung. Allein die Ausführungsplanung des Architekten umfasste mehr als 14.000 Pläne, 10.500 davon für den 1. Bauabschnitt. Hinzu kamen die Planungen diverser Fachplanerinnen und Fachplaner, insbesondere für Raumlufttechnik, Heizung, Stromversorgung, Datentechnik, Sicherheitstechnik oder die Buchförderanlage. Erforderliche Korrekturen zogen deshalb nicht selten zahlreiche weitere Änderungen nach sich.

Kosten

Die Grundinstandsetzung und Erweiterung der Staatsbibliothek zu Berlin ist im Jahre 2003 mit einem Budget von 326 Millionen Euro genehmigt worden. Dieses Budget umfasste entsprechend dem geltenden Haushaltsrecht die seinerzeit als notwendig erkannten Sanierungsmaßnahmen, bezogen auf den Preisstand Dezember 2002. Dieser Preisstand hätte zum November 2019 der Höhe von 501 Millionen Euro entsprochen. Im Jahre 2007 wurde infolge der Preissteigerungen nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 Prozent auf 19 Prozent die erste Budgetanpassung auf dann 333 Millionen Euro genehmigt.

Bis 2009 konnten sowohl die erhebliche Baupreissteigerung seit 2002 als auch alle zusätzlich erforderlichen Maßnahmen beim Bauen im Bestand durch Einsparungen oder Vergabegewinne (im Vergleich zur Kostenplanung günstiger abgeschlossene Verträge) kompensiert werden. Danach erreichte die Preissteigerung eine Größenordnung, die eine Anpassung des Budgets des Projektes unumgänglich werden ließ. Das Budget wurde zum Preisstand 2009 auf 365 Millionen Euro festgesetzt.

Weitere Erhöhungen des Budgets zwischen 2014 und 2022 waren unter anderem aus folgenden Gründen notwendig:

  • Gegenüber den Altverträgen waren durch gestiegene Honorarsätze nach Inkrafttreten der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2009) für die neu beauftragten Planungsbüros höhere Honorarkosten zu veranschlagen.
  • Die Bauzeitverlängerung, vor allem infolge unvorhersehbarer zusätzlicher Maßnahmen bei der Sanierung des Gebäudebestandes (siehe Abschnitt Bauen im Bestand), hatte unweigerlich zusätzliche Kosten zur Folge. Sie war beispielsweise in den neuen Planerverträgen zu berücksichtigen und führte außerdem zu Mehrkosten beim Projektsteuerer und bei einigen bereits beauftragten Firmen.
  • Die seit 2009 eingetretenen Lohn- und Stoffpreissteigerungen mussten gegenfinanziert werden.
  • In verschiedenen Außenwänden wurden Hohlräume entdeckt, die aus statischen Gründen verfüllt werden mussten.
  • Die Instandsetzung der geklinkerten Hoffassaden erwies sich während der Sanierung infolge des größeren Schädigungsgrades und vieler vorgefundener Hohllagen als deutlich aufwändiger.
  • Im Inneren der Messinggeländer der denkmalgeschützten repräsentativen Treppenhäuser wurden stark korrodierte Stahlkerne vorgefunden, sodass umfangreiche Instandsetzungsarbeiten und der Nachbau zahlreicher Baluster erforderlich wurden.
  • In zwei Gebäudeteilen wurdet Asbest vorgefunden, welcher unter Einhaltung der dafür notwendigen Sicherheitsvorkehrungen entsorgt werden musste.
  • Im Untergeschoss des Altbaus wurden durch nachträglich festgestellte Undichtigkeiten und eine geringfügige Erhöhung des Grundwasserstandes für die dort untergebrachten Sondermagazine aufwändige Abdichtungen durch Stahlblechwannen erforderlich.
  • Bei der Wiederherstellung der Höfe wurde festgestellt, dass der erforderliche Bodenaushub nach heutigen Normen einer bestimmten Schadstoffklasse zuzurechnen ist und daher nicht in der geplanten Weise gelagert und wiederverwendet werden konnte, sondern nach den vorgeschriebenen Verfahren zu entsorgen und zu ersetzen war.
  • Zwischenzeitlich wirksame Änderungen rechtlicher Rahmenbedingungen machten gegen Ende des Projektes Anpassungen, zum Beispiel in den Bereichen Arbeitssicherheit und Brandschutz, notwendig.
  • Insbesondere aufgrund der Beeinträchtigungen durch die Covid-19-Pandemie verzögerte sich die Fertigstellung des Stabi Kulturwerks (Bibliotheksmuseum). Hieraus ergaben sich weitere Lohn- und Stoffpreissteigerungen, die im Budget berücksichtigt werden mussten.

Zur Abfederung zusätzlicher Kosten wurden im Projekt verschiede Einsparmaßnahmen ergriffen; der Spielraum für Änderungen zwecks Kosteneinsparungen ist allerdings mit Fortschreiten einer Baumaßnahme zunehmend begrenzt. Die abschließenden Gesamtkosten betrugen 482 Millionen Euro und damit rund 4.505 Euro pro Quadratmeter Brutto-Grundfläche.

Projektdetails

Nutzungskonzept

Nach der Zusammenführung der in der Zeit des Kalten Krieges getrennten Bestände im Jahre 1990 entwickelte die Staatsbibliothek ein neues Nutzungskonzept, in dem das Gebäude Unter den Linden neben dem Standort in der Potsdamer Straße und einem neuen Magazinbau in Friedrichshagen eine zentrale Rolle einnimmt. Im Haus Unter den Linden werden danach überwiegend vor 1945 erschienene Publikationen, die historisch besonders wertvollen Bestände und Nachlässe sowie einige bedeutende Sammlungen aufbewahrt. Des Weiteren sind die für die Restaurierung und für die Digitalisierung von Beständen zuständigen Abteilungen der Staatsbibliothek in dem Gebäude untergebracht. Die Umsetzung des Konzeptes erfolgte im Haus Unter den Linden im Zuge der ohnehin erforderlichen Grundinstandsetzung und beinhaltete den Neubau für den Allgemeinen Lesesaal, den Raritätenlesesaal und neue Tresormagazine.

Seit Anfang des Jahres 2017 findet sich neben den bibliothekstypischen Räumen ein repräsentativer Veranstaltungsbereich, in dem die Staatsbibliothek Konzerte, Lesungen und Diskussionsrunden durchführt und der auch von externen Interessenten gemietet werden kann. Im Erdgeschoss steht Besucherinnen und Besuchern seit Mitte Juli 2022 das frei zugängliche Stabi Kulturwerk offen. Dieses umfasst Räume für die Dauerausstellung sowie für Wechselausstellungen und Workshops.

Im Einzelnen entstanden im Rahmen der Grundinstandsetzung und Erweiterung

  • der Allgemeine Lesesaal mit 279 Arbeitsplätzen, davon 96 Standardarbeitsplätze (darunter ein rollstuhlgerechter), 140 Forscherarbeitsplätze, 29 Carrels (darunter ein Blindenarbeitsplatz) und 14 Rechercheplätze, sowie ein Freihandbestand von 290.000 Bänden. Insgesamt umfasst dieser zentrale Bereich zirka 9.000 Quadratmeter Nutzungsfläche,
  • der Rara-Lesesaal mit 52 Standardarbeitsplätzen und einem Freihandbestand von 30.000 Bänden auf insgesamt zirka 700 Quadratmetern Nutzungsfläche,
  • weitere Sonderlesesäle für einzelne Sammlungsgebiete mit insgesamt 246 Benutzerarbeitsplätzen (Handschriften-, Karten-, Musik-, Zeitungs-Lesesaal sowie Lesesaal der Kinder- und Jugendbuchsammlung),
  • insgesamt 656 Benutzerarbeitsplätze mit verschiedener Ausstattung und Internetzugang,
  • reservierbare Forscherarbeitsplätze mit zusätzlichem abschließbaren Roll-Container, für längere Zeit zu mietende Arbeitskabinen, Rechercheplätze mit PC für Internet- und Katalog-Recherche oder Mikrofiche-Lesegerät, einen Blindenarbeitsplatz mit besonderer technischer Ausstattung (PC mit Scanner, Braille-Zeile, Sprachausgabe, Vergrößerungssoftware für Monitor, Multimediakabinen mit Audio-Anlage),
  • in zwei Etagen Tresormagazine für die besonders wertvollen Bestände der Bibliothek, ausgestattet mit Kompaktregalanlagen auf 3.000 Quadratmetern Nutzungsfläche (In diesen Räumen werden dauerhaft besondere, für die Erhaltung der Bestände notwendige Umgebungsparameter gewährleistet – 18 Grad Celsius, 50 Prozent Luftfeuchtigkeit, UV-freie Beleuchtung. Sie sind außerdem als besonders sichere Bergungsräume ausgeführt, die selbst den Einsturz des gesamten Gebäudes unbeschadet überstehen würden. Der Brandschutz ist in diesem Bereich durch eine moderne Gas-Löschanlage realisiert, die ohne Verwendung von Löschwasser auskommt.),
  • Buchtransportanlage mit 17 Linear- und 4 Umlaufaufzügen und einer Gesamtlänge von 1.500 Metern,
  • Räume für die Werkstätten der Staatsbibliothek, wie Restaurierung, Buchbinderei, Digitalisierung und Druckerei mit insgesamt 1.500 Quadratmetern Fläche sowie
  • Ausstellungsflächen für das Stabi Kulturwerk.

Architektur

Grundgerüst des historischen Gebäudes war die streng axiale öffentliche Erschließung, bestehend aus einer charakteristischen Abfolge von sich in ihrer Wirkung fortlaufend steigernden öffentlichen Räumen mit dem monumentalen Kuppellesesaal als finalem Höhepunkt. Der Entwurf von HG Merz folgt diesem Konzept und stellt mit seinem neuen Baukörper alte funktionale und gestalterische Zusammenhänge wieder her. Der Neubau des Allgemeinen Lesesaals befindet sich an der Stelle des früheren Kuppellesesaales, der neue Rara-Lesesaal (Rara steht für seltene Drucke und Schriften) an der Stelle des ursprünglichen Universitätslesesaales; das architektonische und funktionale Zentrum des Gebäudes ist damit an alter Stelle wiedererstanden. Ein massiver Sockel bildet die Verbindung zum steinernen Bestandsbau. Der Altbauteil wurde unter Berücksichtigung des neuen Nutzungskonzeptes und der Belange des Denkmalschutzes wieder auf die ursprüngliche Organisationsstruktur und räumliche Großzügigkeit zurückgeführt.

Auftakt der das Gebäude prägenden Dramaturgie repräsentativer Räume ist wieder die Lindenhalle an der Straße Unter den Linden mit den Zugängen zur Generaldirektion und zur Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Der an die Lindenhalle anschließende Ehrenhof bildet das großräumige Bindeglied zum eigentlichen Haupteingang des Gebäudes. Die Erschließung aller öffentlich zugänglichen Lesesäle erfolgt über die Treppenhalle mit ihrem wiederhergestellten Tonnengewölbe und das sich daran anschließende Vestibül mit seiner neu erstellten Kuppel. Im Vestibül und damit im 1. Obergeschoß befindet sich die zentrale Zutrittskontrolle für Besucherinnen und Besucher. Somit bleibt im Erdgeschoss ein ungehinderter Zugang zum Bibliotheksmuseum Stabi Kulturwerk frei.

Nach dem Passieren der Kontrolle im Vestibül sind dem Besucher von hier aus über die historischen Gänge und über die repräsentativen Treppenräume seitlich der Treppenhalle die Lesesäle der Sonderabteilungen und die Rechercheplätze zugänglich. In Verlängerung des zentralen Treppenaufgangs befindet sich im nördlich anschließenden Neubau ein großzügig dimensioniertes Foyer mit zentraler Buchausgabe und Information. Auffälligstes Element dieses Raumes ist der mit rotem Teppich belegte Aufgang zum Allgemeinen Lesesaal. Der von allseitig einfallendem Tageslicht erfüllte neue Lesesaal bildet als Höhepunkt der Sequenz historischer Monumentalräume gewissermaßen das Finale des inszenierten Weges zum Buch. Im Zentrum sind die Leseplätze angeordnet, umgeben von einer Hülle aus Regalwänden mit Freihandbeständen. Auch dieses Gestaltungsprinzip entstammt dem Konzept des Bestandsgebäudes und findet sich etwas weniger opulent ebenso in allen Sonderlesesälen wieder. Im Allgemeinen Lesesaal erhebt sich über den Regalen der Lichtkörper aus weißer Textilbespannung als zeitgemäß gestalteter architektonischer Höhepunkt an der Stelle der einstigen monumentalen steinernen Kuppel.

Der Allgemeine Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden

Bild / Video 1 von 2

Die Fotografie zeigt den Lesesaal einer Bibliothek, der mit einer Glaskuppel überwölbt ist. Der Allgemeine Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden Im allgemeinen Lesesaal der Staatsbibliothek Unter den Linden hängt Olaf Metzels Skulptur „Noch Fragen?“ aus beidseitig bedruckten Aluminiumplatten.

Gegenüber dem historischen Saalniveau wurde der Allgemeine Lesesaal um ein Geschoss angehoben, um vom Foyer aus auch den dahinterliegenden Rara-Lesesaal zu erschließen. Letzterer bildet heute den Abschluss der Erschließungsachse. Der Rara-Lesesaal ist einer der reizvollsten Räume des Gebäudes, da hier erhaltene Gestaltungselemente des früheren Lesesaals der Universitätsbibliothek in den ansonsten völlig neu gebauten Raum integriert werden konnten. Auch dieser Saal ist gegenüber seinem historischen Vorgänger um ein Geschoss angehoben worden. Dadurch entstand im Erdgeschoss Raum für die Ausstellungsräume des Stabi Kulturwerks. Außerdem besteht dadurch bei besonderen Anlässen die Möglichkeit, das Gebäude nun auch von der Dorotheenstraße aus zu betreten.

Denkmalschutz

Das Gebäude der Staatsbibliothek ist sowohl ein Einzeldenkmal als auch Bestandteil des Denkmalensembles Unter den Linden. Der Ehrenhof mit seiner aus den 1920er-Jahren stammenden eindrucksvollen Weinberankung ist zudem ein Gartendenkmal.

Bei der Grundinstandsetzung der Staatsbibliothek war der denkmalgerechte Umgang mit der historischen Bausubstanz deshalb ein zentrales Thema. Neben der weitgehenden Erhaltung der noch vorhandenen Bausubstanz wurde ein weiterer Schwerpunkt darauf gelegt, das räumliche Konzept des Bestandsbaus wieder erlebbar zu machen.

Das betrifft insbesondere die Wiederherstellung der zentralen Erschließungsachse mit ihren repräsentativen öffentlichen Räumen, aber letztlich auch die Ergänzung des neuen zentralen Lesesaals an der Stelle des früheren Kuppellesesaals mit derselben funktionalen und räumlichen Bedeutung. Dazu sind weitgehend erhaltene Räume in ihrer Kubatur wieder hergestellt worden, die dafür notwendigen Ergänzungen sollen aber als solche erkennbar bleiben. Das betrifft insbesondere Treppenhalle und Vestibül, wo Tonnengewölbe und Kuppel in Anlehnung an die Originale ergänzt wurden, sich jedoch in ihrer Oberflächengestaltung und Farbgebung deutlich vom wilhelminischen Original abheben.

Weitere Beispiele für die Umsetzung dieses Konzeptes finden sich in den Räumen der Generaldirektion und des Veranstaltungsbereiches, die teils nach vorhandenen Befunden rekonstruiert, teils mit Hilfe von Fotos nachempfunden oder aber mit erkennbar neu gestalteten Bauteilen ergänzt wurden. Ein signifikantes Beispiel ist der Ersatz für die verlorene historische Decke des heutigen Wilhelm-von-Humboldt-Saals. Hier wurde vom Architekturbüro HG Merz für den ansonsten weitgehend erhaltenen Saal eine Decke aus kissenförmigen lichtdurchlässigen Elementen entworfen, welche eine besonders reizvolle räumliche Struktur bildet und besondere Beleuchtungseffekte erlaubt.

Die Fotografie zeigt einen bestuhlten Saal. Staatsbibliothek zu Berlin Der Wilhelm-von-Humboldt-Saal in der Staatsbibliothek Unter den Linden.

Die Sonderlesesäle haben zum größten Teil neu gestaltete Einbauten erhalten, die jedoch dem aus der Erbauungszeit stammenden Prinzip der umlaufenden Regale und Holzvertäfelungen folgen. Im Kartenlesesaal und im Handschriftenlesesaal sind originale Möbel und Einbauten zum großen Teil erhalten und instandgesetzt worden. Auf die Möbel und Einbauten aus den frühen 1970er-Jahren wurde zugunsten der Wiederherstellung eines einheitlichen Erscheinungsbildes der Sonderlesesäle in Abstimmung mit der Denkmalpflege verzichtet. Die dort zugemauerten Rundbögen der Fenster wurden im Sinne eines einheitlichen Fassadenbildes wieder hergestellt.

Die Fotografie zeigt eine Decke mit Betonbögen und einem Majolikaring. Staatsbibliothek zu Berlin Die Betonbögen mit Majolikaring an der Decke der Staatsbibliothek Unter den Linden vor dem Einbau der Kuppel.

Überall dort, wo prägende Bauteile weitgehend erhalten waren, sind diese instandgesetzt beziehungsweise rekonstruiert worden. Der erhaltene Majolikaring am Oberlicht im Zenit der Kuppel im Vestibül ist in diesem Zusammenhang ein herausragendes Beispiel denkmalgerechter Sanierung, ebenso die Sanierung und Rekonstruktion der historischen Treppengeländer in vier repräsentativen Treppenhäusern (siehe Abschnitt Bauen im Bestand).

Die Fotografie zeigt eine Restaurateurin bei der Arbeit an der Decke der Staatsbibliothek. Staatsbibliothek zu Berlin Der Majolikaring an der Decke der Staatsbibliothek zu Berlin wurde aufwendig rekonstruiert.

Ein weiterer denkmalpflegerischer Schwerpunkt bestand in der Erhaltung und Instandsetzung des nach seinem Erfinder Robert Lipman benannten Regalsystems der historischen Magazine. Dieses Stahlregalsystem erstreckt sich teilweise über acht Geschosse und trägt neben Regalböden und Büchern auch die Geschossdecken, Teile der Fassaden und das Dach. Die Konstruktion war in weiten Teilen erhalten und so wurden auch hier fehlende Teile originalgetreu rekonstruiert und der Bestand instandgesetzt.

Die Fotografie zeigt Regalsysteme in einer Halle. Staatsbibliothek zu Berlin Die Lipmanregalsysteme in der Staatsbibliothek Unter den Linden wurden nach ihrem Erfinder Robert Lipman benannt.

Auch das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes blieb weitestgehend unverändert, alle Straßenfassaden sind instandgesetzt und gereinigt worden. Die 1940 zerstörte Kuppel Unter den Linden wurde in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt. Die Fassaden der acht Innenhöfe und die Lindenhalle wurden ebenfalls erneuert. Insbesondere die denkmalgerechte Sanierung der Hoffassaden aus weißem Klinker erforderte einen hohen Aufwand, da für Ergänzungen und Reparaturen in erheblichem Umfang Sonderanfertigungen von Klinkern erforderlich wurden. Der Ehrenhof am Haupteingang Unter den Linden wurde nach historischem Vorbild wiederhergestellt, unter Einbeziehung der Plastik „Lesender Arbeiter“ von Werner Stötzer und des gegenüberliegenden Reliefs mit dem gleichnamigen Gedicht von Bertolt Brecht.

Brandschutz

Den heutigen Anforderungen an den baulichen Brandschutz konnte der wilhelminische Bestandsbau bei Weitem nicht genügen. Um das Gebäude dennoch sicher betreiben zu können, ist von einem auf Brandschutz spezialisierten Planungs- und Sachverständigenbüro ein detailliertes Konzept für einen erheblich verbesserten baulichen Brandschutz erstellt worden, welches auf die Eigenart der einzelnen Räume und Raumbereiche des Bestandsbaus reagiert. Insbesondere in den denkmalgeschützten Lipmanmagazinen wird nun durch eine Vielzahl von einzelnen Maßnahmen ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Insbesondere die Früherkennung von Bränden durch die Brandmeldeanlage, die Möglichkeit der selbstständigen Brandbekämpfung durch Bibliotheksmitarbeiter mittels der überall verfügbaren Feuerlöscher und die kurzzeitige direkte Alarmierung der Feuerwehr sind hier entscheidende Maßnahmen. Dort, wo es baulich möglich war, wurden bestehende Wände feuerbeständig ertüchtigt und damit sogenannte Brandbekämpfungsabschnitte gebildet. Bestandsfenster wurden zur automatischen Entrauchung nachgerüstet und Fenster in Gebäudeecken zur Vermeidung eines Brandüberschlages feuerbeständig ausgebildet.

Der fertiggestellte Neubau wurde gemäß heutigen Brandschutznormen geplant und gebaut. Eine Besonderheit bildet hier die in den Tresormagazinen eingebaute Gaslöschanlage. Automatische Sprinkleranlagen, wie sie in anderen großen Gebäuden regelmäßig eingebaut werden, finden im Gebäude der Staatsbibliothek keine Anwendung, da für wertvolle Buchbestände mögliche Schäden durch Wasser weit verheerender sind als Brandschäden.

Die besondere Schwierigkeit brandschutzrelevanter Anlagen in großen Gebäudekomplexen wie der Staatsbibliothek besteht in deren Komplexität. Viele der verschiedenen Versorgungsleitungen des Gebäudes, insbesondere Lüftungskanäle, verlaufen durch mehrere Gebäudeteile und durchdringen dabei Brandwände. Um eine Brandausbreitung von vornherein zu verhindern, gibt es daher in den Lüftungskanälen hunderte von Brandschutzklappen, die sich im Brandfall, abhängig davon, wo genau es im Gebäude brennt, entweder automatisch schließen oder aber, falls der Kanal zum Absaugen von Rauch benötigt wird, öffnen. Das Öffnen oder Schließen von Klappen wird durch automatische Brandmelder ausgelöst, die überall im Gebäude verteilt sind. Je nachdem, in welchem Raum ein Brandmelder Alarm auslöst, schließen oder öffnen sich Klappen, werden Ventilatoren in Betrieb gesetzt oder öffnen sich Türen oder Fenster, um anstelle des abgesaugten Rauches Luft nachströmen zu lassen. Allein für den Neubau mit dem Allgemeinen Lesesaal gibt es dafür etwa 1.500 verschiedene Szenarien, auf die die komplexe Steuerung der Anlagen reagieren kann.

Technische Gebäudeausstattung

Sämtliche Lesesäle und Magazine werden klimatisiert. Insbesondere in den Tresormagazinen werden die für beste Bedingungen zur Erhaltung wertvoller Bestände notwendigen Klimawerte mit minimalen Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchte aufrechterhalten. Für einzelne Räume der Restaurierungswerkstätten werden darüber hinaus besondere Klimawerte erzeugt.

Um in dem Glaskubus des Allgemeinen Lesesaals ein stabiles und angenehmes Klima zu erreichen, wurde im Zuge der Planung eine rechnergestützte Klimasimulation durchgeführt. Diese Simulation war eine wesentliche Grundlage für die Planung des gesamten Baukörpers und seiner technischen Gebäudeausstattung. Im Ergebnis werden trotz der großen Raumhöhe und des Treibhauseffektes des Glaskubus an jedem Arbeitsplatz angenehme Arbeitsbedingungen garantiert. Durch Lichtsensoren gesteuerte Rollos regulieren das einfallende Tageslicht und tragen zur Balance zwischen einer für angenehme Raumtemperaturen erforderlichen Beschränkung des Energieeintrags und einem möglichst hohen Tageslichteinfall für eine natürliche Beleuchtung bei. Im Altbau besteht die größte Herausforderung der Klimatisierung in der Integration der Lüftungskanäle in den denkmalgeschützten Bestand, insbesondere in den weniger als 2,20 Meter hohen Lipmanmagazinen.

Neben der Klimatechnik ist die Buchtransportanlage eine der komplexeren technischen Anlagen, insgesamt etwa 1,5 Kilometer lang und durch 17 Aufzüge mit allen Geschossen verbunden. Auch hier war die Vereinbarkeit mit den Belangen des Denkmalschutzes und denen des Brandschutzes eine außergewöhnliche Aufgabe.

Weitere Informationen

Assoziierte Bauprojekte

Kontakt

Diese Seite