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Grundinstandsetzung
Zum Ende der Grundinstandsetzung im Dezember 2020 erstrahlt die Neue Nationalgalerie wieder im alten Glanz.
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Seit Anfang 2016 setzt das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) die Neue Nationalgalerie im Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz von Grund auf instand. Mit der denkmalgerechten Sanierung wurde das Büro David Chipperfield Architects beauftragt. Dirk Lohan, Architekt und Enkel von Mies van der Rohe, steht als Berater zur Verfügung und lässt die Erfahrungen aus seiner Zeit als Projektleiter beim Bau der Neuen Nationalgalerie mit einfließen.
Das Projekt lässt sich in drei große Phasen gliedern:
Die Neue Nationalgalerie am Berliner Kulturforum ist eine Architekturikone von Weltrang sowie der Schluss- und Höhepunkt im Lebenswerk des Architekten Ludwig Mies van der Rohe. Erbaut wurde das Baudenkmal, das als Klassiker der Moderne gilt, zwischen 1965 und 1968. Seit ihrer Eröffnung 1968 war die Neue Nationalgalerie fast ein halbes Jahrhundert lang ununterbrochen in Nutzung. Der Museumsbetrieb hat Spuren hinterlassen. Außerdem haben sich die Anforderungen an einen zeitgemäßen Museums- und Ausstellungsbetrieb seit der Eröffnung umfassend verändert. Noch deutlicher wurde der Sanierungsbedarf jedoch bei einem Blick hinter die Kulissen, wo sich beispielsweise bei Gebäudetechnik, Klimatisierung und Brandschutz sowie insbesondere an der Gebäudesubstanz selbst schwere Mängel zeigten.
Seit der Eröffnung der Neuen Nationalgalerie 1968 wurde keine umfassende Sanierung vorgenommen. Nach nahezu 50 Betriebsjahren hatte sie das Ende ihres ersten Lebenszyklus‘ erreicht. Im täglichen Betrieb traten zunehmend deutliche Sicherheitsmängel zutage und die Nutzbarkeit war aufgrund vermehrt auftretender Schäden sehr eingeschränkt.
Außenansicht vor Beginn der Grundinstandsetzung
Quelle: © bpk / Gerhard Murza
Vor diesem Hintergrund wurde das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im März 2009 mit einer denkmalpflegerischen und baulichen Bestandserfassung der Neuen Nationalgalerie beauftragt. Dabei stellte das Projektteam umfassende bauliche und technische Schäden und Mängel fest, unter anderem gerissene Glasscheiben, gebrochene Granitplatten auf der Terrasse und an der Fassade, nicht nutzbare Rettungswege, Asbest und weitere Schadstoffe sowie stehendes Wasser auf dem Stahldach über der Ausstellungshalle. Darüber hinaus hatten die technischen Anlagen und deren Infrastruktur ihre Lebensdauer weit überschritten und waren nur noch eingeschränkt funktionsfähig. Infolgedessen konnte der Museumsbetrieb nur noch durch bauliche Interimsmaßnahmen und zusätzlichen organisatorischen Aufwand gewährleistet werden. Die Schäden und Mängel hatten ein derartiges Ausmaß erreicht, dass nicht nur die bauliche Substanz bedroht, sondern auch die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher sowie der Beschäftigten akut gefährdet war.
Schwerwiegende Defizite bestanden auch in den für den Museumsbetrieb notwendigen Funktionsbereichen. Die Infrastruktureinrichtungen für die Besucherinnen und Besucher waren im Sinne heutiger Ansprüche und Anforderungen mehr als unzureichend. Das Ausstellungsklima und die Sicherheit unterschritten die heute üblichen internationalen Standards in einem Maße, dass ein Leihverkehr nur noch eingeschränkt möglich war. Unterdimensionierte Lagerflächen sowie defizitäre Personal- und Sozialbereiche machten einen effizienten Betrieb nahezu unmöglich. Die gänzlich fehlende Ausstellungsvorbereitung mit Packraum sowie ungenügende Bedingungen für Kunsttransport und -logistik stellten das Haus vor kaum noch zu meisternde Herausforderungen. Nach wiederholten Überbrückungsmaßnahmen erlaubte es die Gefährdungslage für Besucherinnen und Besucher sowie Kunstgüter nicht mehr, den Betrieb des Hauses länger aufrechtzuerhalten. Die Neue Nationalgalerie musste zum Jahresende 2014 für den Publikumsverkehr geschlossen werden.
Seit Ende 2014 ist die Neue Nationalgalerie für den Publikumsverkehr geschlossen
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Auf Basis der Bestandserfassung des BBR wurde im März 2011 der Beschluss zur Aufstellung einer Entwurfsunterlage (EW-Bau) für eine denkmalgerechte Grundinstandsetzung gefasst, welche die Beseitigung der Sicherheitsrisiken, der baulichen Schäden und deren Ursachen sowie die Wiederherstellung ursprünglicher Nutzungsmöglichkeiten beinhaltet. In einem offenen, konkurrierenden Verfahren wurde das Büro David Chipperfield Architects ausgewählt sowie nachfolgend das weitere Planungs- und Beratungsteam gebunden.
Unter dem Leitsatz „So viel Mies wie möglich“ wurde von Mitte 2012 bis 2015 das Konzept der Grundinstandsetzung entwickelt. Die Planungen zur Restrukturierung der Nutzung und zur Anpassung des Hauses an einen modernen Museumsstandard wurden dabei unter Beachtung der Grenzen und Möglichkeiten des Gebäudes vorgenommen. Eingriffe und Veränderungen beschränken sich dabei immer auf ein Minimum. Der iterative, paritätische Abstimmungsprozess erfolgte zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin, dem Berliner Landesdenkmalamt, dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, David Chipperfield Architects und weiteren Planerinnen und Planern sowie unter der Beratung des ehemaligen Projektleiters Dirk Lohan, Enkel Mies van der Rohes, und des Mies-Experten Prof. Dr. Fritz Neumeyer.
Im Ergebnis der Entwurfsplanung lag 2015 ein belastbares Konzept für die Grundinstandsetzung vor. Der von Mies geplante Ausstellungsrundgang wird durch Verlegung der derzeit im nördlichen Museumsgang liegenden Garderobe in ein ursprüngliches Gemäldedepot wiederhergestellt. Der Museumsshop wird aus der Treppenhalle in das bisherige Skulpturendepot verlegt. Durch Neupositionierung von Garderobe und Museumsshop wird die Besucherinfrastruktur symmetrisch in der vorhandenen Grundrisskubatur angeordnet, funktionell jeweils am Ausstellungsbeginn gegenüber den Toiletten beziehungsweise des Cafés. Da im Kern des Gebäudes für die Depoträume künftig kein Platz mehr ist, werden diese im aufgeschütteten Bereich auf der Ostseite unterhalb der Terrasse neu positioniert. Der bisher nicht vorhandene barrierefreie Zugang wird in Form einer geneigten Ebene zwischen Straßenniveau und Terrasse sowie durch einen neuen Aufzug hergestellt, der Ausstellungshalle und Untergeschoss verbindet. Sozial-, Personal- und Lagerräume werden an den heutigen Bedarf angepasst. Um internationalen Leihverkehr zu ermöglichen, wird die dringend erforderliche, klimatisierte Ausstellungsvorbereitung geschaffen. Im Ergebnis der Restrukturierung der Funktionsbereiche werden die internen Wege optimiert und den Bedürfnissen angepasst.
Zur Behebung der Sicherheitsrisiken sowie der Schäden und Mängel im Bestand ist eine vollständige bauliche und technische Instandsetzung aller Gebäudebereiche und Bauteile erforderlich. Im Ergebnis der Voruntersuchungen und Bauteilöffnungen wurden unter anderem erhebliche Schäden am Stahlbetonkern des Hauses festgestellt. Um diese beheben zu können, müssen sowohl die komplette Außenhülle als auch alle Innenbauteile bis auf den Rohbau demontiert werden. Erst dann kann die aufwendige Sanierung des Stahlbetoninnenkerns erfolgen. Die hochwertigen und teils robusten Bauteile wie Granit-Natursteinplatten, Türen, Stahlprofile und Marmorplatten müssen ausgebaut werden, um sie zu restaurieren, zu ertüchtigen und anschließend wieder zu montieren. Diese Vorgehensweise ist nicht nur denkmalpflegerisch geboten, sondern zugleich nachhaltig und wirtschaftlich sinnvoll.
Um die vorhandene Stahl-Glas-Fassadenkonstruktion erhalten zu können, wird auf eine thermische Trennung verzichtet. Es erfolgt jedoch eine denkmalverträgliche Anpassung der Stahlkonstruktion, um Verformungen besser ausgleichen zu können, so dass Glasbruch zukünftig vermieden wird. Die neuen Verglasungen entsprechen den hohen Sicherheitsanforderungen im Museumsbetrieb und weisen gleichzeitig die ursprünglichen übergroßen Formate auf. Die Beschaffung der übergroßen Verglasungen stellte eine besondere Herausforderung dar. Weltweit wurden diese zum damaligen Zeitpunkt nur in einem einzigen Werk produziert. Die Zulassung wurde über aufwendige Testverfahren sichergestellt. Die Kondensatbildung wird durch die Optimierung der technischen Anlagen und eine saisonal angepasste Nutzung des Hauses gemindert. Die haustechnischen Anlagen wurden unter Wiederverwendung der denkmalrelevanten Einbauten wie Lüftungsgitter und Leuchtenkörper grundlegend erneuert. In den Grenzen der vorgegebenen Kubatur mussten dabei technische Anlagen optimiert und komprimiert werden. Im Bereich der alten Abluftauslässe hinter dem Skulpturengarten wurden Umbauten erforderlich, die auch in den Grundwasserbereich eingriffen.
Im Zuge der Grundinstandsetzung mussten Bauteile an heutige bauordnungsrechtliche Anforderungen, Verordnungen und Richtlinien angepasst werden. Vor allem baurechtliche Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes gilt es zu erfüllen. Das bedeutet, dass wesentliche Bauteile, wie historische Türen, Innenverglasungen und Wände, instandgesetzt werden mussten – bei identischem äußeren Erscheinungsbild. Dies war komplex, zeit- und planungsaufwendig sowie mit vielen Sonderlösungen und dadurch erforderlichen Testverfahren sowie Genehmigungen im Einzelfall verbunden.
Nach Schließung der Neuen Nationalgalerie am 31. Dezember 2014 begann die zirka einjährige Beräumung des Hauses, welche unter anderem die Auslagerung der über 1.400 hochwertigen und einzigartigen Gemälde und Skulpturen in extra dafür eingerichteten Interimsdepots beinhaltete. Vor dem Verpacken und Transportieren der Kunstobjekte waren restauratorische Sicherungsmaßnahmen zwingend erforderlich. Anschließend begannen bauvorbereitende Maßnahmen über einen Zeitraum von sechs Monaten. Dazu gehörten das Verlegen von Leitungen, Maßnahmen zur Schadstoffbeseitigung sowie der Abbruch von nicht schützenswerten Bauteilen.
Rückbau sämtlicher Einbauten in der großen Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Wichtig bei der gesamten Sanierung: Die originalen Interieurs und Materialien bleiben erhalten. Die Granitplatten der Terrasse und der großen Halle wurden restauriert, die Holzverkleidungen wiederverwendet und historische Möbel aufgearbeitet. Ein wesentlicher Bestandteil der ersten Phase des Bauprojektes war deshalb die Demontage von rund 35.000 einzelnen Bauteilen, die weiterhin verwendet werden sollen. Entsprechend sorgfältig wurden daher sämtliche Stücke ausgebaut, kartiert, inventarisiert und eingelagert. Seit Mitte 2017 sind die Bauvorbereitungen, die Demontagen der historischen Bauteile und die Schadstoffsanierungen abgeschlossen.
Im Anschluss an die Bauvorbereitungen begann in dem bis auf den Rohbau zurückgebauten Haus die eigentliche Instandsetzung. Diese zweite große Phase des Projektes umfasste unter anderem die aufwändige Sanierung des im Bestand sehr schadhaften Stahlbetons im Innen- und Außenbereich, inklusive des Abbruchs und Neubaus der Wände des Skulpturengartens.
Darüber hinaus wurden das Dach der Ausstellungshalle sowie der Terrassenbereiche abgedichtet und gedämmt. Die Sanierungsarbeiten an den Stahl-Glas-Fassaden sind abgeschlossen. Um künftig thermische Verformungen der Stahlfassade besser ausgleichen zu können und Glasbruch zu vermeiden, wurde eine denkmalverträgliche Anpassung der Fassadenkonstruktion durch den Einbau von Dehnpfosten vorgenommen. Die gesamte bestehende Verglasung wurde ausgebaut, die Stahlkonstruktion sandgestrahlt und für die Neubeschichtung grundiert. Die neue Verglasung wurde Mitte 2019 komplett eingesetzt.
Das auf den Rohbau zurückgeführte Untergeschoss der Neuen Nationalgalerie
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Parallel zur Rohbausanierung im Bestandsgebäude wurde unterhalb der Terrasse der Rohbau für neue Technik-, Depot- und Lagerflächen errichtet. Auf rund 900 Quadratmetern erhält die Neue Nationalgalerie damit die zusätzlichen Funktionsflächen, die für einen modernen Museumsbetrieb notwendig sind.
Arbeiten an der Baugrube für das neue Kunstdepot und weitere Funktionsbereiche
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Mit dem Ausbau des Gebäudes hat im August 2018 die letzte Projektphase begonnen.
Quelle: BBR / Thomas Bruns
Die dritte große Phase des Projektes – der Ausbau des Gebäudes – erfolgt derzeit. So findet aktuell die Wiedermontage der Natursteinfassaden statt. Die vorbereitende Restaurierung der Natursteinplatten für die Außenbereiche wurde zuvor in den extra für das Projekt eingerichteten Außenlagern durchgeführt. Die denkmalpflegerisch wertvollen, demontierten Holz- und Stahlbauteile wurden aus den Lagerflächen in die Restaurierungswerkstätten der ausführenden Firmen verbracht, wo aktuell die Vorbereitungen für die Wiedermontagen laufen. Die bei verschiedenen Herstellern in Auftrag gegebenen Nachbauten und Umrüstungen der originalen Lüftungsauslässe, Schalter und Leuchten stehen größtenteils schon für den Einbau bereit.
Die Baufertigstellung ist für Dezember 2020 vorgesehen. Hieran schließt sich die Inbetriebnahme und Ersteinrichtung an. Dabei werden alle Kunstobjekte und die dann restaurierten historischen und von Mies van der Rohe entworfenen Möbel in die sanierte Neue Nationalgalerie zurückgeführt. Die Wiedereröffnung des Ausstellungsbetriebes ist für 2021 geplant.
Die denkmalgerechte Grundinstandsetzung der Neuen Nationalgalerie umfasst eine Vielzahl einzelner baulicher Maßnahmen und Arbeitsschritte.